Braucht der PR-Sektor eine Männerquote?

In der Öffentlichkeitsarbeit sind Frauen überproportional vertreten – in der Führungsebene allerdings nicht

Laut einer Studie sind über 70 Prozent der Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit Frauen. In Ländern wie Finnland, Deutschland oder Schweden sind sogar vier von fünf Fachkräften weiblich. Doch nur rund 30 Prozent von ihnen leiten die Agenturen. Welche Gründe könnte es haben, dass Frauen die PR-Industrie dominieren, es aber 2018 nicht schaffen, auch die Mehrheit der Führungspositionen zu besetzen? Braucht es – wie in Deutschen Aufsichtsräten seit 2015 der Fall – eine Frauenquote?

Offizielle Studien zur Frage, warum der Anteil weiblicher Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit so hoch ist, wurden bisher nicht durchgeführt. Hypothesen gibt es dagegen zahlreiche. Sie basieren zum Beispiel auf den Fähigkeiten, die in diesem Berufsfeld täglich zum Einsatz kommen. Organisationstalent, Kundenberatung und Einfühlungsvermögen – Kompetenzen, die vor allem Frauen zugeordnet werden.

Diese Erkenntnis geht aus einer Forschung der amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften hervor. Sie besagt, dass es im weiblichen Gehirn zahlreiche Kontakte insbesondere zwischen den beiden Hirnhälften gebe. Bei Männern hingegen bestehen vermehrt Verknüpfungen innerhalb der Gehirnhälften. Dies führe dazu, dass „Männer dank ihrer Hirnarchitektur ihre Wahrnehmungen besser in koordinierte Handlungen umsetzen können und so motorisch begabter sind. Frauen hingegen können analytische und intuitive Informationen besser miteinander verbinden, sind sozial intelligenter und haben ein besseres Erinnerungsvermögen“, schreiben die Forscher im offiziellen Publikationsorgan „Proceedings“.

Vorteil: hohe Flexibilität und höheres Gehalt. Nachteil: Karrierepause durch Elternzeit.

Die biologischen Unterschiede könnten ein Grund für die Dominanz des weiblichen Geschlechts im PR-Sektor sein. Ein weiterer Faktor könnte darin bestehen, dass sich die Öffentlichkeitsarbeit besonders durch eine hohe Flexibilität auszeichnet. Weibliche Mitarbeiter, die familienorientiert sind, werden davon besonders angezogen. Doch wenn diese Frauen das Unternehmen für ein bis zwei Jahre verlassen, um in Mutterschutz und Elternzeit zu gehen, werden sie auf der Karriereleiter automatisch zurückgeworfen. Dies fällt vor allem im Vergleich mit den Kollegen auf, die in diesem Zeitraum aufgestiegen sind.

Hinzu kommt, dass Frauen in der PR-Industrie besser bezahlt werden als in anderen Bereichen der Kommunikation wie Bildung oder Personalwesen. Laut einer Studie von „Business Insider“ aus dem Jahr 2018 verdienen weibliche PR-Manager jährlich 75.260 $, während das Gehalt in der Human Resources Industrie mit 70.342 $ um fast sieben Prozent niedriger ist. Doch trotz dieses positiven Faktors besetzen lediglich 30 Prozent der weiblichen Mitarbeiter Führungspositionen in den untersuchten Agenturen.

Alter als entscheidender Faktor

Für die amerikanische Dozentin Dr. Audra Diers-Lawson, welche an der Leeds Beckett University in England unterrichtet und mehr als 20 Jahre Berufserfahrung in der PR-Industrie hat, gibt es für das Geschlechterungleichgewicht einen entscheidenden Faktor: das Alter. „Schaut man sich die Altersverteilung der Führungspositionen in großen Unternehmen an, wird klar, dass die Führungskräfte meistens fünfzig oder sechzig Jahre alt sind. Von einem sozial-evolutionsbiologischen Standpunkt aus gesehen sind wir einfach noch nicht bei den jüngeren Generationen angekommen“, so Diers-Lawson. Betrachte man jedoch die mittleren oder niedrigeren Hierarchiestufen, finde man dort kein großes Ungleichgewicht der Geschlechter mehr vor. „Die älteren Generationen müssen ihre Positionen verlassen, bevor die Generationen nachrücken können, bei denen Gleichheit und Diversität eine größere Rolle spielen.“

Mehr Frauen in die Geschäftsführung

Doch was kann man bis dahin tun, um die prozentuale Verteilung der weiblichen Führungspositionen in der Öffentlichkeitsarbeit zu erhöhen? Zunächst sollten mehr Frauen ermutigt werden, Teil der Geschäftsführung zu werden. Diverse Studien zeigen, dass sich dies außerdem positiv auf die Umsatzrendite sowie das Aktienwachstum des Unternehmens auswirkt. Außerdem sollten sich Arbeitszeiten flexibler gestalten lassen. Oftmals fällt die Pflege von Eltern, Kindern oder weiteren Familienangehörigen auf die Frauen zurück. Der Spiegel berichtet 2017, dass eine 34-jährige Frau im Schnitt doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit leistet, wie ein Mann. Es bringen sich „in der Pflege nur 4,9 Prozent der Männer und 7,2 Prozent der Frauen in Deutschland ein“.

Ob eine völlige Gleichstellung des männlichen und weiblichen Geschlechtes auch in der Führungsebene der Öffentlichkeitsarbeit gelingen wird, muss sich zeigen. Klar ist: Auch wenn es erste Ansätze gibt, ist der Weg noch weit. 

Nachdem Alisa Zöltsch in Groningen „Internationale Kommunikation“ studiert und sich bei einem Auslandssemester in England auf den Bereich Journalismus spezialisiert hat, zog es die gebürtige Ostfriesin doch wieder nach Deutschland – unter anderem für ein Praktikum bei Mediavanti in Oldenburg.

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Redaktion Mediavanti

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