Filmplakate „Brandspuren“ brennen sich ein

Vom 20. November bis 12. Dezember 2021 findet im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte im Oldenburger Schloss die Ausstellung von zwei Dutzend internationalen Filmplakaten aus den ersten 40 Jahren der Filmgeschichte statt. 1943 von den Nationalsozialisten in einem Salzstollen gebunkert, erblicken sie nun erneut das Tageslicht und werden für das interessierte Publikum zugänglich gemacht. 

Fundort: Steinsalzwerk Braunschweig-Lüneburg in Grasleben, Niedersachsen

Die Samtgemeinde Grasleben bei Helmstedt mit knapp 5.000 Einwohner:innen beheimatet eines der fünf Salzbergwerke Deutschlands. Dorthin verlagerten die Nationalsozialisten die Materialien des Reichsfilmarchivs aus Berlin, nachdem ab 1943 die Luftbombardements auf die Stadt zunahmen. Der niedersächsische Salzstock wurde aufgrund seiner warmen und trockenen Luft als Schutzraum für das Material ausgewählt. Salzstollen eignen sich besonders für die Lagerung von Papiergut, Filmrollen und Grafiken. Somit wurde die Sammlung des Archivs in 430 Meter Tiefe verfrachtet. 

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs entdeckten amerikanische Einheiten das Versteck im Bergwerk. Sie entwendeten große Teile des dort gelagerten Materials. Im Juni 1945 brach im Stollen ein Feuer aus. Was den verheerenden Brand auslöste, konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Es wird davon ausgegangen, dass eine umgefallene Grubenlampe das Feuer entfachte. 1986 wurde das verkohlte Versteck wiederentdeckt, Reste von rund 70 Filmplakaten konnten geborgen werden. Unter den Fundsachen waren auch Zensurdokumente und Anträge zur Werbung für die Filme. In den Jahren 2017 und 2019 folgten weitere Bergungen filmischen Materials Untertage. 

Der Restaurationsprozess eines versalzten und verrußten Filmplakats

Film ,Der Streik der Diebe‘ (D 1920/1921, Regie: Alfred Abel)
Quelle: Deutsche Kinemathek

Aus den Überbleibseln der 70 gefundenen Filmplakate konnten 24 in aufwendiger Handarbeit wieder zusammengesetzt und restauriert werden. Die Fundstücke stammen aus den 1910er- bis 1930er-Jahren. Eine Restauration solch alter Stücke ist kompliziert. Das Plakat muss zunächst gewässert werden, damit das Salz des Stollens und die Rußpartikel vom Brand aus dem Papier herausgewaschen werden. Dann muss es trocknen. Anschließend wird es aufkaschiert. Hierbei wird das Plakat zum Schutz des Materials auf eine Unterlage aus Japanseidenpapier aufgetragen. Dann beginnt die Puzzlearbeit. Die einzelnen Teile müssen zusammengesetzt, aufgeklebt und erneut kaschiert werden. Danach wird das fertig zusammengesetzte Plakat gepresst. Im Anschluss muss es für mehrere Wochen trocknen. 

Früher versuchte man die an den Plakaten entstandenen Schäden zu verstecken. Heute lässt man sie so, wie sie sind. Die kahlen Stellen werden lediglich etwas an die umliegenden Farben angepasst, um den Kontrast von Plakat und Brandloch zu mindern.    

Zwischen Kunst und Propaganda

Die Plakate zeigen eine andere Zeit. Sie verdeutlichen den gesellschaftlichen Wandel, der bis bis jetzt stattgefunden hat. Heute haben wir ein anderes Verständnis von Ästhetik und dem was uns anspricht. Doch genau das macht den Reiz dieser Plakate aus. Die Unterschiede feststellen, bemerken was damals der Mainstream war und was angesagt war: das fasziniert. Die handgefertigten Arbeiten, die weit entfernt von digitalen Grafikprogrammen entstanden, vermitteln einen Einblick in die Filmbranche in ihren Anfängen und den damaligen Geschmack der Menschen. Vor gut 100 Jahren prägten sie das Bild einer Stadt, wurden von den Menschen gesehen und beeinflussten sie. Doch die Filmbranche und die Plakatkünstler:innen unterstanden strengen Zensurbedingungen, die heute undenkbar wären. Die Plakate zeigen somit nur, was damals in der Werbung geduldet wurde. In der Weimarer Republik regelte das sogenannte Lichtspielgesetz das Bewerben der Filme. Später wurden diese zu einem wichtigen Instrument für die Propaganda der Nationalsozialisten. Somit bestimmte erneut die Politik, was in den Lichtspielhäusern gezeigt werden durfte und sollte. 

Film ,A Question of Honor‘ (USA 1922, Regie: Edwin Carewe)
Quelle: Deutsche Kinemathek

Große Teile der Sammlungen und Materialien des Filmarchivs der Nationalsozialisten gingen genauso in Flammen auf und zerfielen anschließend zu Staub und Asche wie ihre Schreckensherrschaft. 

Eine Ausstellung der Deutschen Kinemathek.

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Prakti Mediavanti

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