Wie Unternehmen ihre Innovationskraft bewahren

Interview mit dem Strategie- und Innovationsberater Dirk Bathen

Die Innovationskraft deutscher Unternehmen lässt nach, sagt die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Was dagegen getan werden kann, erläutert Dirk Bathen, der gemeinsam mit dem gebürtigen Oldenburger Jörg Jelden in Hamburg als Strategie- und Innovationsberater tätig ist. Das Interview haben wir für die aktuelle Ausgabe des Oldenburger Wirtschaftsmagazins geführt.

Frage: Herr Bathen, mittelständische Unternehmen sind weniger innovativ als noch vor Jahren, analysiert die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Deckt sich diese Einschätzung mit Ihren Erfahrungen?

Dirk Bathen: Ich kenne die Meldung nur aus der Presse und weiß nicht, auf welche Zahlen und Unternehmen sie sich beruft und welches Verständnis von Innovation der Studie zugrunde liegt. Wenn der Hauptgrund für die geringe Innovationskraft des Mittelstandes im anhaltenden konjunkturellen Stillstand gesehen wird, dann finde ich das einerseits plausibel, denn in wirtschaftlich schlechten Situationen geht man als Unternehmen nur ungern Risiken ein. Andererseits führt es aber sofort zu der Frage: Wann beschäftigt man sich überhaupt mit Innovationen?

Und? Wann ist der richtige Zeitpunkt?

In einer volatilen Weltwirtschaft sind Krisen zum Normalzustand geworden und keine Ausnahmesituation mehr. Es mag kurzfristig sinnvoll sein, an Innovationen zu sparen, aber mittel- und langfristig kann es drastische Konsequenzen für Unternehmen haben, die sich ausschließlich in wirtschaftlich guten Zeiten mit der Zukunft beschäftigen. Außerdem ist nicht gesagt, dass man in blühenden Zeiten auch tatsächlich innovativ ist. Auftragsbücher und Terminkalender sind voll, es gibt keinen Grund, jetzt etwas Neues zu machen, alles läuft doch bestens.

Welches sind die wichtigsten Triebfedern für Innovationen?

Man muss sich fragen, was mit dem Begriff Innovationen gemeint ist. Das Wort ist eine leere Hülse. Manche verstehen darunter eine leichte Variation des Bestehenden, für andere ist es der große Wurf mit Potenzial zum „Game Changer“. Im letzten Jahr wurde eine Studie veröffentlicht, wonach die Anzahl der Unternehmen, die sich innerhalb ihres Strategieprozesses bewusst der Zukunftsfähigkeit ihres Geschäftsmodells widmen, von 4,5 Prozent im Jahre 1994 auf fast 38 Prozent im Jahre 2013 gestiegen ist. Das belegt, wie sehr die Auseinandersetzung mit dem Geschäftsmodell in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Und trotzdem soll die Innovationsbereitschaft gesunken sein?

Etwas provokant gesprochen kann eine sinkende Innovationsbereitschaft auch bedeuten, dass der Leidensdruck noch nicht groß genug ist und es den Unternehmen noch zu gut geht. Man sollte bereits in profitablen Zeiten damit anfangen, Erfolgsrezepte zu hinterfragen. Wer in der Krise versucht, Neues zu entwickeln, hat es ungleich schwerer. Viele Start-ups arbeiten regelmäßig mit sogenannten „Pre-Mortems“: Das Szenario nimmt zukünftiges Scheitern vorweg, um in der Gegenwart bessere Entscheidungen zu treffen. Dieser Perspektivwechsel hält wach und macht sensibel.

Wo liegen in der Regel die Fehler im Unternehmen, wenn ihre Innovationskraft nachlässt?

Der größte Fehler ist meines Erachtens eine unausgewogene Balance zwischen Exploitation (der Ausnutzung des Bestehenden) und Exploration (der Erkundung des Neuen). Viele Unternehmen betrachten beide Handlungsoptionen als „Entweder oder“. Das ist problematisch, weil eine solche Unterscheidung meist in einem kurzfristigen Denken von Effizienzinnovationen mündet: Wie können wir Bestehendes besser, schneller, günstiger machen? Wirkliche Neuerungen, die sich an veränderten Marktgegebenheiten oder neuen Konsumenteneinstellungen orientieren, gibt es dabei nicht.

Die Mischung muss stimmen

Das heißt?

Ziel sollte eine gute Mischung aus Exploitation und Exploration sein. Einerseits das Bestehende zu nutzen und zu optimieren, andererseits Neues zu erforschen und zusätzliche Geschäftsfelder, Ertragsmodelle, Vertriebswege, Zielgruppen etc. zu erschließen. In vielen Firmen herrscht noch die irrige Annahme, dass das, was heute erfolgreich ist, auch morgen noch relevant sein wird. Aber die gleichen Gründe, die gestern zum Erfolg geführt haben, können morgen für das Scheitern verantwortlich sein. Deswegen ist es umso wichtiger, neue Entwicklungsmöglichkeiten zu durchdenken und schneller ins Handeln zu kommen, anstatt zu versuchen, alles haarklein und wasserdicht im Voraus zu planen.

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Claus Spitzer-Ewersmann

Claus Spitzer-Ewersmann

Als Geschäftsführer der Mediavanti GmbH unterstützt Claus Spitzer-Ewersmann Unternehmen und Institutionen in (gerne auch einmal unkonventioneller) Kommunikation.

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