Traumberuf Journalist?

Eine Betrachtung der „Generation post Y“

„Was ich werden will? Am liebsten Journalistin.“ Diesen Beruf fand ich immer schon interessant, schrieb etwa im Grundschulalter in die blassrosa Freundschaftsbücher meiner Freundinnen als Traumberuf das Wort „Djornalist“. Ich merkte schnell, dass mich Lesen und Schreiben mehr begeisterte als Rechnen, und verfasste bald erste Kurzgeschichten. Es folgten ein Schülerpraktikum bei unserer Lokalzeitung, die Mitarbeit an der Schülerzeitung und die Redaktionsleitung für die Abschlusszeitung meines Jahrgangs. Nach dem Abitur und einem Freiwilligenprogramm als Assistenzlehrerin in den Townships von Kapstadt habe ich diesen Sommer die ersten Schritte in der Lokalredaktion der Nordwest Zeitung gemacht, durfte Artikel schreiben und Interviews führen. Aber jetzt, gerade jetzt fange ich an zu zweifeln.

Warum? Weil ich täglich mit Begriffen wie Outsourcing von Redaktionen, Tarifumgehung, Stellenkürzungen konfrontiert bin, deren Einfluss auf das Berufsleben eines Journalisten nicht mehr zu leugnen sind. Vor denen keiner die Augen schließen kann und darf. Besonders ich nicht, wenn ich beruflich zu einer journalistischen Tätigkeit tendiere. Verlagshäuser, groß herausgekommene Journalisten und Experten warnen vor einem zunehmenden Niedergang des Qualitätsjournalismus in Deutschland. Setzt man sich wie ich intensiver mit dem Berufsfeld und seinen Risiken auseinander, sind Zweifel an dessen Attraktivität quasi unvermeidbar. Ebenso wie die Erkenntnis, dass die journalistische Arbeit und ihre Anforderungen in einem umfassenden Wandel begriffen sind.

Was Qualitätsjournalismus ausmacht. Beziehungsweise ausmachen sollte.

Was überhaupt ist Qualitätsjournalismus? An der Definition des, meiner Meinung nach, sehr idealistischen und theoretischen Begriffs haben sich bereits viele Journalisten und Politiker versucht. Letztendlich hat es aber niemand geschafft, eine kurze und knackige Definition zu liefern. Zumindest keine, die überzeugt. Im Grunde wird er anhand folgender Kriterien definiert: Er ist die Vorstellung eines Idealbildes des Journalismus, der für Wahrhaftigkeit und Richtigkeit bei der Berichterstattung steht, da ihm eine sorgfältige, zeitaufwendige und detailreiche Recherche vorangeht. Die Berichterstattung ist neutral und passiv. Vertreter des Qualitätsjournalismus agieren als überparteiliche und unbestechliche Parteien und ermöglichen, unabhängig von internen und externen Einflüssen, als kontrollierende Gewalt die angestrebte sachliche Berichterstattung. Der Qualitätsjournalismus soll die Möglichkeit geben, die Meinungs- und Urteilsbildung bei den Rezipienten zu fördern. Als natürliche Folge entsteht beim Volk Vertrauen zu den Verfassern, da deren Glaubwürdigkeit sich steigert. So viel zur Theorie.

Theorie versus Wirklichkeit

Die Kritik am derzeitigen „Qualitätsjournalismus“ist einfacher zu beschreiben als sein Idealzustand. Denn Journalisten wie Leser werden täglich mit den Krisen direkt und indirekt konfrontiert. Die freiberufliche Journalistin Christine Schulzki-Haddouti, die seit 2005 am Institut für Kommunikationswissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn lehrt, hat zusammen mit ihren Kollegen Miriam Bunjes und Geribert Jacob im Jahr 2009 ein Buch mit dem Titel „Begrenzter Journalismus. Was beeinflusst die Entfaltung eines Qualitätsjournalismus?“ veröffentlicht. Darin legen die Autoren dar, mit welchen Problemen der Journalismus und seine Vertreter zu kämpfen haben.  

Ein großes Problem liegt in den Bemühungen um die Erhaltung der unabhängigen Berichterstattung, während diese durch Einschränkungen in der Berichterstattungsfreiheit gefährdet sind. Hierzu fällt mir ein Podcast ein, veröffentlicht von Deutschlandfunk Hintergrund, den ich vor einigen Wochen gehört habe. Titel: Juristen gegen Journalisten – Wenn Anwälte Redaktionen verklagen. In diesem Podcast geht es um Unternehmen, die großen überregionalen Zeitungen in Deutschland falsche Berichterstattungen vorwerfen und auf Schadenersatz in Millionenhöhe plädieren. Was sich vor allem in mein Gedächtnis eingebrannt hat, war die Tatsache, dass sich immer mehr Gerichte auf die Seite der Unternehmen stellen und ihnen auf Grundlage des Persönlichkeitsrechts Recht geben. Letzteres ist in den vergangenen Jahren massiv gestärkt worden. Dies kann für eine massive Einschränkung der Pressefreiheit sorgen. Denn Redakteure könnten davon absehen, über bestimmte Themen zu schreiben, wenn sie eine gerichtliche Vorladung aufgrund falscher Berichterstattung fürchten müssen.

Ein weiteres Problem? Fehlende Ressourcen.

Während zunehmend essenzielle Ressourcen fehlen, wird dem Journalismus weiterhin sein inhaltliches Niveau abverlangt. Die Tarifverträge werden vom Deutschen Journalistenverband (DJV) inhaltlich ausformuliert. Obwohl diese eine Erhöhung des Lohns für Journalisten vorsehen, werden Journalisten in Deutschland mehrheitlich deutlich – teils über 15 Prozent – unter dem Niveau bezahlt. Um die Tarifverträge zu umgehen und/oder Geld zu sparen, ist das Outsourcen von redaktionellen Arbeiten zur gängigen Methode geworden. Eine weitere: Redakteuren lediglich befristete Verträge auszustellen oder Leih- und Zeitarbeiter einzusetzen. Wenn Redaktionen durch den Abbau von Stellen „ausgedünnt“ werden, führt das gleichzeitig zu einer höheren Belastung der „Übriggebliebenen“. Jetzt müssen Abstriche gemacht werden, etwa in Recherche und Sorgfaltspflicht.

Was die Erkenntnisse für mich bedeuten

Journalist zu werden bedeutete für mich immer, dass mich ein Berufsleben voller Spannung und Abwechslung erwartet. Dass ich eine große Leidenschaft, das Schreiben, zum Beruf machen kann. Der zunehmende Stress, dagegen die abnehmende (auch finanzielle) Würdigung des Berufs – all dies macht den Beruf des Journalisten für mich immer unattraktiver und lässt mich zweifeln. Dabei ist dieser Beruf so wichtig, auch für die Zukunft. Die Öffentlichkeit braucht Menschen, die engagiert sind, als Sprachrohr zwischen Individuum und der Außenwelt zu fungieren und zur Meinungs- und Urteilsbildung beizutragen.

Den Ausweg aus meinem Dilemma? Kenne ich derzeit nicht. Klar ist für mich nur, dass ich meinen Berufswunsch trotzdem nicht aus den Augen verlieren möchte und deshalb versuchen werde, meine journalistischen Fähigkeiten im Studium und durch Praktika zu erweitern. Für mich bleibt der Beruf des Journalisten trotz seiner Krise sehr interessant und im besten Sinne herausforderungsvoll. Meinem sechsjährigen Ich seinen Herzenswunsch zu erfüllen und „Dschornalist“ zu werden – wäre doch sehr schön!

Kyra Sukop interessiert sich seit ihrer Jugend für Journalismus – das entsprechende Handwerkszeug hat sie in einem Praktikum bei Mediavanti kennengelernt. Jetzt studiert die junge Frau Politik und Wirtschaft an der Uni Bonn. 

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Redaktion Mediavanti

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