Zwischen offenen Türen und leeren Gütesiegeln

Die Charta der Vielfalt genießt große Popularität

… und das nicht nur in Oldenburg. Sich für Vielfalt und Toleranz einzusetzen, gehört praktisch zum guten Ton: Mehr als 2.250 Unternehmen und öffentliche Einrichtungen haben sie unterzeichnet, oft mit großem Trara und gegenseitigem Schulterklopfen. Wir fördern Diversität. Und wir sind stolz darauf. Das ist alles schön und richtig. Nur – was kommt nach der Unterschrift?

Die Stadt Oldenburg erklärt auf ihrer Website, dass „die Vielfalt der Mitarbeiter gewinnbringend für die Ziele des Arbeitgebers genutzt werden kann.“ Das Logo der Charta ist schnell auf der eigenen Internetseite verlinkt, die Urkunde gerahmt und prominent im Büro platziert. Damit auch jeder daran erinnert wird. Ermuntert wird, Verschiedenartigkeit zu leben. Und andere dafür zu respektieren. Und davor? Bevor ich Teil eines Unternehmens werde?

Nicht erst bei der Bewerberauswahl gilt es, Hindernisse zu minimieren. Denn oft kommen die Angebote gar nicht bei allen an, die für den Job geeignet wären.

Mundpropaganda im Bewerbungsprozess ist meist einfach und komfortabel, schließt aber Vielfalt aus, weil sie nur im eignen Umfeld akquiriert.

Gezielt andere Kanäle zu nutzen, bereitet den Weg für diverse Bewerber: Ob durch die Agentur für Arbeit, lokale Zeitungen, an Schulen und Universitäten, schwarzen Brettern oder online – je vielfältiger die Verbreitungsmöglichkeiten, desto bunter die Kandidaten.

„Gleich und gleich gesellt sich gern“ ist eben nicht nur ein so daher gesagter Spruch. Viele Personalentscheidungen fußen (auch) auf spontanen Sympathien, die meist Menschen gelten, die uns ähnlich sind. Gerade in Kleinstunternehmen gibt es oft keinen geregelten Ablauf im Auswahlprozess. Ein Zugehörigkeitsgefühl ist in kleinen Teams besonders wichtig – und behindert gleichzeitig den Diversity-Gedanken, Vielfalt und Unterschiedlichkeit zu zelebrieren. Wie schaffen wir es, uns von diesen unterschwelligen und teilweise unbeabsichtigten Rastern zu lösen?

Diversity Management ist in den globalen Konzernen lange kein Fremdwort mehr, längst gibt es eigene Abteilungen, die sich damit beschäftigen. In kleinen Unternehmen fehlt es jedoch oft. Sich nur zu verpflichten reicht hier nicht aus. Die Charta der Vielfalt zeigt, wie es andere geschafft haben und gibt Handlungsempfehlungen.

Wir alle sind geprägt von unserer eigenen Vergangenheit und neigen zur Bevorzugung von uns ähnlichen Personen.

Sie sind uns vertrauter, wir fühlen uns schneller auf „einer Wellenlänge“. Diese meist unbewusste Benachteiligung anderer kann nur mit einem gesteigerten Bewusstsein für Vielfalt verringert werden. Es gilt also, nicht nur eine Unterschrift zu setzen und generell für mehr Offenheit zu plädieren. Es braucht aktive Planung und Controlling, Mechanismen und festgelegte, objektive Beurteilungskriterien, um unbewusste Diskriminierung auszuschließen. Das alles verlangt nicht nur nach Zeit, sondern auch nach der Überzeugung, dass es keine verschwendete Zeit ist. Und vor allem verlangt es danach, sich endlich aufzuraffen und damit anzufangen.

Damit die Charta der Vielfalt nicht zum leeren Gütesiegel verkommt, sondern tatsächlich Türen öffnet.

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Phyllis Frieling

Phyllis Frieling

Ihre journalistischen Erfahrungen hat Phyllis Frieling unter anderem bei einer lokalen Tageszeitung gesammelt. Sie ist überzeugt: Spannende Geschichten wollen gefunden und erzählt werden. In ihren Texten zeigt die Kulturwissenschaftlerin dank ihrer gedanklichen und analytischen Flexibilität dabei gern neue Blickwinkel auf.

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